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Das System der Angst: Bundesagentur für Arbeit im Wandel der Zeit

Ein Gastbeitrag von Lutz Große

In zivilisierten Gesellschaften entstand über tausende von Jahren die Fähigkeit der Anteilnahme und des Mitgefühls, des gönnen-können aber auch des gönnen-müssen. In den letzten ca. 150 Jahren kannten wir für diejenigen, die der Unterstützung bedurften, die Sozialstaatlichkeit. So konnten wir alle (über-) leben, in einer Kultur des Gebens und Nehmens. Miteinander, voneinander, in einer lebenswerten Vielfältigkeit.

Das alles funktionierte so lange erfolgreich und die Gesellschaft doch zusammenhaltend, bis zum Zeitpunkt der Arbeitsmarktreform (Agenda 2010), die in 2005 umgesetzt wurde. Die einseitige Änderungskündigung der Arbeitslosenversicherung durch die Politiker, die hier ohne breites gesellschaftliches Mandat handelten, ist eine der ersten Auswirkungen. Die Zusammenlegung der Arbeitslosenhilfe mit der Sozialhilfe (Hartz IV) ging mit einem finanziellen Einschnitt einher, der die Lebensqualität der Menschen signifikant und nachteilig absenkte.

Tragsäulen praktizierter Ausgrenzung

Bis dahin gesellschaftlich gewachsene Strukturen von Anlaufstellen, Beratungszentren und Initiativen wurden zerschlagen. Ihnen wurde einfach die Mittel gestrichen, die Eingliederung in den Arbeitsmarkt und die Verwaltung der Armut sollte genügen. Als Ergebnis entstand ein unmenschliches Chaos, das immerhin in der Sozialgerichtsbarkeit einen signifikanten Anstieg des Arbeitsaufkommens zur Folge hatte.

Rotationsprinzip nannte die BA intern die immer wiederkehrende Umverteilung von Zuständigkeiten. Bürgernähe wurde damit schnell zur Bürgerferne und diese Bürgerferne ist die Tragsäule der praktizierten Ausgrenzung. Distanz schafft Misstrauen, Distanz grenzt ab und grenzt vorsätzlich aus.

Mangel wurde ohne Not künstlich erzeugt. Den Mangel dokumentierte zuletzt auch Prof. Lauterbach, Mitglied des Bundestages und Mitglied der SPD, die diese Absurditäten ersonnen hatte. Laut seiner Studie sind es 8,9 Lebensjahre im Schnitt, die den finanziell ärmeren Menschen im Land genommen werden. Vernichtete Lebenszeit, durch die Schere zwischen Arm und Reich abgeschnitten. Würden Sie nicht lieber 8,9 Lebensjahre schenken – ihrem Nachbarn, oder auch ihrem Abgeordneten? Oder wären Sie so skrupellos, Ihrem Nächsten einfach 8,9 Lebensjahre zu nehmen?

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